cci Zeitung
Leserbrief zum Thema „Fachkräftemangel“

In den letzten Ausgaben der cci (06/2019 und 07/2019) wurde mehrfach das Thema Fachkräftemangel/Ausbildung angesprochen und kommentiert.

Dazu möchte ich wie folgt Stellung nehmen:

Der Fachkräftemangel in der deutschen Wirtschaft, besonders im Handwerk, hat inzwischen eine Dimension erreicht, die sich unmittelbar auf die Wirtschaftsleistung auswirkt. Die Auswirkungen sind bekannt und sollen hier nicht weiter beleuchtet werden.

Ursachen des Fachkräftemangels sind:

1. Gesellschaftliches Ansehen von akademischer und gewerblicher Ausbildung

Noch immer wird in weiten Teilen der Gesellschaft das Ansehen des Handwerks nur als zweitklassige Berufsausbildung eingestuft. Dabei wird vergessen, dass über 150 Handwerksberufe ein extrem breites Spektrum an Berufsbildern bieten. Vom Goldschmied bis zum Instrumentenmacher, vom Buchdrucker bis zum KFZ-Mechatroniker und vom Zahntechniker bis zum Mechatroniker.

Das Handwerk bietet außergewöhnlich gute Verdienst- und Karriere-Möglichkeiten – das reicht von der Meisterprüfung bis zur Selbständigkeit, dem eigenen Unternehmen, auch einem späteren dualen Studium; bereits Gesellen im Handwerk verdienen heute gutes Geld, um ihr Familieneinkommen zu sichern.
Über 50% der Schulabgänger gehen ins Studium, sicher zum großen Teil ohne genaue Vorstellungen darüber, was sie dort erwartet. Dann wird nach zwei oder drei Semestern frustriert das Studium abgebrochen und der junge Mensch steht vor einem Scherbenhaufen. Viele würden sicher in einem Handwerksberuf eher ihren Traumberuf finden und schon mit dem Beginn der Ausbildung Geld verdienen.
Die Gleichwertigkeit von akademischer und gewerblicher Ausbildung haben wir dann erreicht, wenn nicht nur das Arbeiterkind ins Studium geht, sondern das Akademikerkind Dachdecker werden kann, ohne dass das im Elternhaus als sozialer Abstieg gewertet wird.

Weitere Gedanken von ZDH-Präsident Wollseifer, wie Befreiung der Auszubildenden von Sozialabgaben und die Einführung einer Ausbildungsabgabe, wenn Gesellen nach der bestandenen Prüfung von Industrieunternehmen abgeworben werden, sind zurzeit noch in einer frühen Phase der Diskussion.

2. Fachkräftemangel im Kälteanlagenbauer-Handwerk

Unser hoch qualifiziertes Handwerk ist leider in weiten Teilen der Gesellschaft noch immer unbekannt – damit sinkt die Zahl möglicher Bewerber. Wir brauchen aber nicht die Schulabgänger, die unseren Beruf wählen, weil sie das als die letzte Möglichkeit ansehen, sondern wir brauchen die Besten eines jeden Jahrganges, die in den MINT-Fächern gute Leistung gezeigt haben und naturwissenschaftlich interessiert sind.

Dazu wurde von den Verbänden in den letzten Jahren viel getan, NIKKI – die Nachwuchsinitiative des ZVKKW – und die bekannte Marke der-coolste-job-der-Welt des BIV zeigen Wirkung und es steigen die Ausbildungszahlen der Mechatroniker/in für Kältetechnik, gegen den allgemeinen Trend. Aber hier muss weiter gearbeitet werden.

3. Das Berufsbild „Mechatroniker/in für Kältetechnik“ mit der dreieinhalbjährigen Ausbildung muss erhalten bleiben

… auch wenn die Anforderungen zum Bestehen der Gesellenprüfung hoch sind. Innerhalb dieser Ausbildungszeit sind umfangreiche Kenntnisse und Fähigkeiten zu erlernen, damit der Mechatroniker später auch individuell an den verschiedensten Anlagen eingesetzt werden kann. Und der weitaus größere Teil der Azubis schafft diese Prüfung auch – die Erfahrung kommt eh erst nach den ersten Beschäftigungsjahren in der freien Wildbahn.
Eine „Basisausbildung“ und spätere Module zur Spezialisierung helfen nicht weiter. Ebenso wenig das Absenken des Niveaus einer Gesellenprüfung.
Mit dem ZVEH z. B. wurde vereinbart, dass die elektrotechnischen Anteile unserer Ausbildung ausreichen, um als vollwertige Elektrofachkraft, nicht nur für festgelegte Tätigkeiten, anerkannt zu werden. Dabei wachsen die Anforderungen ständig weiter, der vermehrte Einsatz von z. B. brennbaren Kältemitteln verlangt eine intensivierte Ausbildung in diesem Bereich.
Neue Techniken kommen dazu: Wir müssen uns mit hydraulischen Systemen, Pumpen und wasserführenden Rohrleitungen als sekundäre Kälteversorgung beschäftigen. Komplexe Steuer-und Regelsysteme, die u.U. auch andere Gewerke beinhalten, müssen auf der Baustelle beherrscht, repariert und eingestellt werden.

4. Eine Chance könnte darin liegen, parallel einen zweiten, vereinfachten Ausbildungsgang anzubieten

Hier muss aber sorgfältig überlegt werden, wie das aussehen sollte. Verkürzte Ausbildungszeit, Qualifikation für handwerkliche Arbeiten auf der Baustelle oder bei Wartungen ohne Eingriff in den Kältekreislauf, also nicht die Kat 1 der ChemKlimaschutzV, wären denkbar.

Dies ist auch für Quereinsteiger, die bereits eine Ausbildung absolviert haben, eine Möglichkeit, unser interessantes Gewerk kennen zu lernen. Die Option einer späteren Gesellenprüfung als Mechatroniker/in für Kältetechnik bietet dabei Aufstiegsmöglichkeiten. Eine Chance weitere Bewerber zu finden?

5. Die Erfahrungen der Unternehmen mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz oder der Beschäftigung von Migranten sind leider schwierig

– von Einzelfällen abgesehen liegen hier hohe Hürden bei den Sprachkenntnissen, dem Bildungsniveau und bürokratischen Hemmnissen.

Eine Menge weiterer Punkte spielen hier eine Rolle, so auch der an vielen Bildungseinrichtungen herrschende Mangel an Lehrkräften und Dozenten uvm. Jedem, der sich hier engagieren möchte, empfehle ich die Kontaktaufnahme zum Fachbereich Wissenschaft und Bildung des ZVKKW (www.zvkkw.de) oder der Nachwuchsinitiative NIKKI (www.zukunft-kaelte.de)

Während des am 07.11.2019 auf der Zeche Zollverein in Essen stattfindenden Coolektiv-Convent (www.coolektiv.de/coolektiv-convent) wird diese Thema ebenfalls behandelt werden und breiten Raum zur Diskussion bieten.

Bonn, 15.07.2019

Heribert Baumeister
Bundesinnungsmeister

www.biv-kaelte.de
www.zvkkw.de
www.der-coolste-job-der-Welt.de
www.zukunft-kaelte.de
www.coolektiv.de